Kreuz, Gernot: Flurnamen und andere Namen im Offenbuger Stadtteil Hildboltsweier. In: Ortenau 80 (2000), S. 205-213. Universitätsbibliothek Freiburg i. Br.
Flurnamen und andere Namen
im Offenburger Stadtteil Hildboltsweier
Gernot Kreutz.
Hilteboltzwilre – ein Name für einen Weiler im Bann¹ von Offenburg, der nach seiner Ersterwähnung – oder besser: nach dem bisher frühesten bekannten Namensbeleg – im Jahr 1398² bislang nur recht lückenhaft zu verfolgen ist. 1401³, 15044 und 17275 wird dieser Name jeweils im Zusammenhang mit einem Wald genannt, wobei es dem Kontext nicht sicher zu entnehmen ist, wo sich dieser kleine Wald genau befand. Die lateinisch abgefaßte Urkunde von 1401 berichtet vom Hildboltsweiler Wäldchen, gelegen in der Pfarrei der Stadt Offenburg, zwischen dem Dorfbann von Hofwei(l)er und dem Stadtwald von Offenburg; es zieht sich unten bis zu diesem Wald hin und oben bis zur Reichsstraße beim Wald von Elgersweier.6
Abb. 1: Das „Wäldele von Hildboltsweiler“ um 1401
In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts7 lesen wir von Matten, die ,Jnden widen (= Weiden) by hiltbolsthswilr“ lagen; 1557 heißt es „Im Hylpolzwyler in den Weyden oder dichböchenn“.8 Letzteres Wort entzieht sich bei fehlenden Vergleichsmöglichkeiten zunächst einer Deutung.
Im Jahr 1481 wird von einem Bann Hiltboltzswilr9 berichtet; eine rechtliche Zuordnung bleibt unklar. Damals ging es um Beschwerden, die von Elgersweier gegenüber Offenburg vorgetragen wurden. Den Bann (des abgegangenen Ortes) Hildboltsweier beanspruchten Elgersweier sowie auch Offenburg für sich. Offenburg beruft sich auf das alte „harkomen“ (Überlieferung), welches besagt, daß ihr Bannwart in Hildboltsweier hüte (Aufsicht führe) und daß Elgersweier zwar, wie auch Offenburg selbst, landwirtschaftlicher Nutznießer sei, jedoch Hildboltsweier im Bann von Offenburg liege.
Nach 1727 (ob Hülpoltsweyler Wald)10 taucht der Name nach den bisherigen Ermittlungen erst zweihundert Jahre später wieder auf. Man geht davon aus, daß der Name – wohl mit dem Abgang dieses Weilers – im Spätmittelalter weitgehend in Vergessenheit geraten war.
Abb. 2: Im „alten Hildboltsweier“ an der Königswaldstraße (siehe Anmerkung 18)
Das 187511 als Wohnplatz verzeichnete Bahnwärterhaus mag somit der erste Nachfolger des alten Weilers sein. Mitte dieses Jahrhunderts hat das Wärterhaus nach Aufhebung des schienengleichen Bahnübergangs seine Funktion verloren. – 1885 wurde anläßlich der Volkszählung ein weiterer Wohnplatz, der Hof „Schafstall“ mit zehn Einwohnern, aufgeführt. Noch heute ist älteren Einwohnern der Name „Schafwiese“ geläufig. – Das Adreßbuch der Stadt Offenburg nennt im Jahr 1896 erstmals eine „Landstraße nach Hofweier“, der drei Gebäude zugeordnet werden: Bahnwärterhaus, Schafstall und Lagerhaus.12 In den folgenden Adreßbüchern ändert sich an der Zahl der Gebäude nichts, bis 1925 neben Stallung, Bahnwärterhaus und dem Haus für den/die Schäfer zwei weitere von Landwirten bewohnte Häuser verzeichnet sind. 1927 wird zudem ein Haus für einen Gärtner bzw. eine Baumschule aufgeführt. Die letzteren Anwesen liegen im Westen von Hildboltsweier im Gewann „Neues Stockfeld“.
Mit einer planmäßigen Besiedlung jenseits der Kinzig wurde 1933 im heutigen Stadtteil Hildboltsweier begonnen. Zum ersten Bauabschnitt gehörten auch die unmittelbar nördlich an der Bahn gelegenen sechzehn Siedlerstellen.
Die Namenfindung für diese Siedlung zog sich über mehrere Jahre bis 1938 hin. Im Rahmen der badischen Katastervermessung war im Jahr 1860 der Gemarkungsatlas der Stadt Offenburg entstanden; darin war der Name Hildboltsweier nicht aufgeführt. Dagegen finden wir hier den Gewann-Namen Albertsbosch, der Namengeber für den heutigen Stadtteil Albersbösch werden sollte. Das Gewann Albertsbosch erstreckt sich nämlich nicht nur auf den heutigen südlichen Teil von Albersbösch, also auf den Teil zwischen Schutterwälder Straße und der Bahn, sondern auch auf einen großen Teil südlich der Bahn.
Zunächst wurde für die sogenannte Stadtrandsiedlung in Anlehnung an die bisherige Nutzung der Name Exerzierplatzsiedlung festgelegt. So haben auch die bisherigen Gebäude am Exerzierplatz, die nach der Landstraße nach Hofweier numeriert waren, 1934 diese Bezeichnung erhalten.13 Um 1935 hieß es auch einfach nur Siedlung. Die Nachbargemeinden bezeichneten sie als Offenburger Siedlung.
1938 wurden anläßlich eines Festes der Siedlergemeinschaft vom Oberbürgermeister 25 RM als Preis für den geeignetsten Namen ausgesetzt; als besonderen Ansporn erhielt jeder Siedler einen halben Liter Freibier. Sieben Vorschläge wurden aktenkundig, darunter drei Namen, die sich auf das damalige politische Regime bezogen; mit der Nennung von Hermann Göring wurde die Verbindung von der Luftwaffe zum Luftlandeplatz in Hildboltsweier gesucht. Alle diese Vorschläge einschließlich „Siedlung Schafweide“ fanden keine Zustimmung. Schließlich wurde auf Anregung von Ernst Batzer (Stadtarchiv Offenburg), dem damaligen Schriftleiter des Historischen Vereins von Mittelbaden, der Name Hildboltsweier (anfangs auch Hildboltsweier-Siedlung) angenommen.14
Bis 1952 haben die Häuser in der Reihenfolge der Erstellung ihre Hausnummern erhalten. Dieses unübersichtliche Verfahren wurde 1953 durch die Vergabe von Straßennamen mit Neu-Numerierungen aufgegeben. Der Stadtrat schloß sich mit den Blumennamen dem Vorschlag der Siedler-Gemeinschaft an. Diesen Namengebungen gingen im Vorfeld einige Diskussionen voraus, wobei auch Überlegungen zu den Bezeichnungen -Straße oder -weg angestellt wurden. – Die ersten Straßennamen, die sich von Blumen ableiten, sind Dahlien-, Flieder-, Lilien-, Tulpen-, Resedenweg.
Der Stadtteil ist (heute) im Norden durch die Eisenbahnlinie und im Osten durch die Bundesstraße 3/33 begrenzt. Im Westen und Süden stoßen die Gemarkungen Schutterwald und Hohberg-Hofweier an.
In diesem Bereich sind 1860 fünf Gewanne aufgeführt: Neues Stockfeld, Albertsbosch, Oberörtle, An der Hofweierer Straße, Königswald Feld. Die Gewanne „Neues Stockfeld“14 und „Albertsbosch“ reichen über die Bahnlinie hinaus bis an die Schutterwälder Straße.
Abb. 3: Skizzierter Vorschlag der Siedler-Gemeinschaft für die Straßenbenennung
von 195215
Von Hofweier kam 1979 ein kleiner Teil des Gewanns „Unter Schwaderloch“ zu Hildboltsweier. 1997 gab Schutterwald bei einem Gemarkungsaustausch von seinem Gewann „Offenburger Stockfeld“ einen größeren Teil ab.
Hildboltsweier besteht als Name aus dem Grundteil Weier und dem Bestimmungsteil Hildbolt. Weier ist eine andere Form für Weiler (-wilre)16 – Gattungsname für eine kleine Siedlungsform. Der Bestimmungsteil Hildbolt geht zurück auf den Personennamen Hildibald/Hiltebold. Er leitet sich von „hilta/hildi“ = Kampf und „bald“ = kühn, tapfer her; es bedeutet der im Kampfe Tapfere.17
Albertsbosch wurde Namengeber für den seit 1951 entstandenen Stadtteil Albersbösch nördlich der Schutterwälder Straße. Die an der Bahn gelegene Häuserreihe (jetzt Fasanenweg), die im Zuge der Siedlung Hildboltsweier entstand, hieß in den 50er Jahren Alt-Albersbösch.18
Der Grundteil Bosch im Flurnamen Albertsbosch wird durch den Personennamen Albert bestimmt. Bosch/Bösch steht für Busch. Der Name Albert leitet sich von Albrecht bzw. Athalbrecht her. Im Althochdeutschen bedeutet adal = edel und behrat = glänzend – zwei sinnverwandte Eigenschaften. Als „Übersetzung“ wurde dafür der Adelsprächtige vorgeschlagen.19 Würde man Alber statt Albert als Bestimmungsteil zugrunde legen, ließe sich auch ein Bezug zum Alberbaum (für Pappel – althochdt. Alpari) herstellen.20
Bei der badischen Katastervermessung in der Mitte des letzten Jahrhunderts gab es zunächst das Alte und Neue Stockfeld (beide im Offenburger Bann) und das Offenburger Stockfeld auf Schutterwälder Gemarkung. Der Name „Altes Stockfeld“ wurde zugunsten von Albertsbosch aufgegeben. Unter einem Stockfeld ist ein Feld zu verstehen, das durch rodendes Ausstocken eines Waldes entstanden ist. Stock ist der Name für die jeweils verbliebenen Baumstumpen.
Anfangs der sechziger Jahre wurde das Neue Stockfeld und das östlich von der Hildboltsweier-Siedlung gelegene Oberörtle als Baugebiet erschlossen. Sehr fraglich ist es, ob vielleicht der abgegangene Weiler Hildboltsweier als Vorgänger für ein oberes (= südlich gelegenes) Örtle von Offenburg angesehen werden kann. Eher kommt wohl „das Ort“21 als Ende oder Rand eines Gebietes in Betracht. Es sei dabei etwa an einen alten Weidstrich (Weidebezirk) gedacht, der sich weit außerhalb der Stadtmauern bis an den Wald (Bosch und ausgestockter Wald) erstreckt haben mag. 1557 lesen wir „am oberen ortlin am schlangenbrücklin“.22 In den Akten des Andreas-Hospitals (zwischen 1676 und 1789) wird ein Brachacker „im obern Erthl im fintschenlach“ beschrieben.23 Lach steht hier wohl für Loch als Geländevertiefung; der Bestimmungsteil von fintschenlach dürfte sich auf einen Personennamen Fintsch/Fensch beziehen.
Bei der Beschreibung der Offenburger Güter im Jahr 180824 muß die Lagebezeichnung Oberörtle für einen größeren Bereich als für das 1860 festgeschriebene Gewann Oberörtle gegolten haben. Wir können es an den verschiedenen zusätzlichen Angaben ablesen: Ober Örtle gegen der Kinzig , Ober Örtle Linker Hand der Hofweyrer Straß, Ober Örtle an dem Wald, Ober Örtle Gegen dem Wald, Ober Örtle oben an dem Hofweyrer Bann, Im obern Örtle beym Franciscaner guth am Wald-Weeg, Oberörtlefeld im Winckel am Königswald, Ober örtle an der alten Straß Beym Bild Stökle. Dieser jetzt an der Josefs-Kirche stehende Doppel-Bildstock mit den gegenüberliegenden Nischen weist mit seiner Inschrift auf den ursprünglichen Standort an der Straße von Offenburg nach Lahr/Freiburg. Eine ältere Inschrift lautet: Gott sig Lob / Stras uf Lor / Kencinge Fribu. Er stammt aus der Mitte des 16. Jahrhunderts (155(?)). Vor der Erschließung des Baugebiets Oberörtle war es das Bildstöckle am Mittelfeldweg (= Weg, der mitten durch die Felder ging).
Diesem oberen Örtle mag ein unteres entsprochen haben. In dem nördlich von Offenburg benachbarten Bohlsbach wurde 1487 ein „Örtlin“25 als Flurname aufgeführt. Zuletzt hören wir von diesem Örtle 1834: „Im Örtle, jezt in der Wasserfurch“.26
Abb. 4: Spätgotischer Bildstock von 155(?) (StA OG)
Abb. 5: Karte zur Entstehung des Könifswald-Feldes28
Im Südwesten liegt das Königswald-Feld. Dieses Gewann war noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts Wald und gehörte zum gemarkungsübergreifenden herrschaftlichen Königswald. Der Offenburger Anteil wurde in drei Zeitabschnitten auf den Stock gesetzt. Aus diesem abgeholzten Wald war nun das Königswald-Feld entstanden. Der Name drückt die Beziehung zu Reich und König aus, zumal das Königs Wäldlen 1559 „des Herren Wäldlen“ hieß.27 Mit Sicherheit läßt sich aber eine Verbindung zu einem Familiennamen bisher nicht ausschließen. Der heutige Königswald – ehemals Gemarkung Schutterwald – ist seit nunmehr dreißig Jahren Teil der Gemarkung Hofweier.
Eine kolorierte Karte (Abb. 5) aus der Mitte des 19. Jahrhunderts (um 1846) ist nach Westen ausgerichtet (die ostwestliche Richtung des Stellweges weicht nur geringfügig nach Norden ab). Dargestellt ist nur der Teil des Königswaldes, der auf der Gemarkung von Offenburg lag. Von diesem Offenburger Anteil wurde zunächst der Osten des Waldes ausgestockt, dem aber bald auch der westliche Teil folgen sollte, so daß nun das Königswald-Feld entstand.
Der 1860 festgeschriebene Gewann-Name An der Hofweierer Straße war zuvor nur eine Lagebezeichnung, die seither amtlich zur Kennzeichnung von Flurstücken in diesem Gewann gehört. Die ersten bekannten Belege für den Ortsnamen Hofweier sind Hoviwilar und Hofwilre.29 Weier ist wie Weiler Gattungsname für eine kleine, wohl durch Rodung entstandene Ausbausiedlung. Sie ist wahrscheinlich auf grundherrlichem Boden (Hofgut) entstanden. Hof kann nicht nur im Sinn eines Bauernhofes verstanden werden, sondern auch als Herrenhof für eine weltliche oder geistliche Herrschaft.
Im Namen Schwaderloch steckt Schwad(er) für seichtes, sumpfiges Wasser.30 Die beiden Gewanne Unter- und Ober- Schwaderloch sind in Hofweier verhältnismäßig großflächig, so daß Loch als Vertiefung vielleicht nicht gemeint sein mag. In der Mundart läßt sich Loch leicht mit Loh verwechseln. Möglicherweise steht hier Loch für das häufig in Flurnamen vorkommende Loh im Sinn eines lichten Gehölzes.
Aus der Entstehungszeit des neuen Stadtteils stammt der noch mündlich bekannte Name „Lädelebuckel“ für die geringe Bodenwelle in Nähe des ehemaligen kleinen Einzelhandelsgeschäftes. Despektierlich wurde der Graben entlang der Königswaldstraße „Stinkgraben“ genannt. Erst etwa dreißig Jahre später entstand die Siedlung Oberörtle, die scherzhaft „Land der flachen Dächer“ oder auch „Brettar-Dorf‘ (nach einem damaligen städtischen Beamten) genannt wurde.
Fast alle Straßen-Namen sind in Hildboltsweier nach Blumen benannt – 26 an der Zahl, davon nur zwei ,,-straßen“. Die nahe gelegene Kleingarten-Anlage mag vielfach Pate für die Blumen-Wege gestanden haben. Königswaldstraße und Im Stockfeld haben ihren Bezug zu den alten Gewann-Namen. „Am Flugplatz“ deutet auf den Verkehrslandeplatz im Königswald-Feld. Der „Südring“ ist die Entlastungsstraße, die sich von der Ortenberger Straße bis zur Verlängerung der Schutterwälder Straße hinzieht.
Anmerkungen
1 Bann = Bezirk, in dem das Recht gilt, zu gebieten oder zu verbieten; sinngemäß die
alte Bezeichnung für Gemarkung
2 GLAKA 30/1893 +1894
3 GLA KA 30/2240
4 StA OG 10/1/1 (StA – Stadtarchiv Offenburg)
5 StA OG 10/1/13 (Orttenauisches Stock-Urbarium de anno 1727)
6 transkribiert von E. Hillenbrand (Freiburg), unediert
7 GLAKA 66/2791
8 GLAKA 66/2805
9 Adreß-Buch der Großh. Badischen Kreishauptstadt Offenburg. 1831
10 s. Anm. 5
11 Beiträge zur Statistik der inn. Verwalt. des Großherzogthums Baden, H. 39. Gemeinde- und Ortsverzeichniß nach d. Volkszählung v. 1. Dez. 1875. 1878
12 vgl. Anm. 9/Adreß-Buch … 1896
13 StA OG 5/9142; 6/661/73
14 StA OG 5/9142
15 StA OG 6/661/73-2
16 E. M. Hall: Flurnamenbuch der Gemeinde Willstätt, 1995
17 Brechenmacher. J. K: Deutsches Namenbuch. Stuttgart, 1928
18 vgl. dazu die Schrift von 1957 „25 Jahre Siedlung Hildboltsweier – Altalbersbösch“
19 s. Anm. 17
20 Flurnamenbuch Baden-Württemberg, 1993
21 s. Anm. 20
22 StA OG 10/18/10
23 StA OG 2/62
24 Güter-Verzcichniß und Bcschrib der Gröse derselben Offenburg im Grosherzogthum Baden 1808 (StA OG 10/6/1)
25 StAOGI/B79
26 St AOG 18/5/12
27 s. Anm. 5
28 StaatsA FR B 1121/1 (Nr. 1227)
29 Das Land Baden-Württemberg, Bd. VI Reg.-Bez. FR., Stuttgart, 1982
30 Buck, M. R.: Oberdeutsches Flurnamenbuch. Bayreuth, 1931 (2. A.)